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24h Schötz-Totalschaden

Ich fahre kein 24h Rennen zwei Mal. Zwar habe ich meist tolle sportliche Erfolge, ziemlich sicher sind diese aber meist durch viel Leid und Quälerei entstanden. Dazu kommt auch noch ein gewisse Monotonie und mentale Erschöpfung, wenn man einen Kurs 30, 60 oder gar 90mal befahren hat. Zu groß ist das Abenteuer, welches mir eine andere Veranstaltung, eine andere Lokation, eine andere Strecke, sowie andere Teilnehmer bieten können. Deshalb fahre ich kein 24h Rennen zwei Mal.

Doch eine berechtigte Ausnahme gab es bisher – das 24h Rennen in Schötz. Hier verlor ich 2018, wie im Beitrag „Codewort Dildofee“ meine Jungfräulichkeit im Ultracycling. Ein Jahr später kehrte ich zurück, wie im Beitrag „Helikopter 117“ zu lesen ist. Ich hatte viel gelernt, wollte Vieles anders und besser machen und um das ganze richtig zu bewerten, musste es natürlich auf derselben Strecke stattfinden. Somit fuhr ich das Rennen in Schötz als einziges tatsächlich zwei Mal.

48 Stunden hab ich auf der Strecke verbracht, 170 Mal befuhr ich den 5 Kilometer langen Rundkurs, habe somit 850KM und rund 12. 000 Höhenmeter absolviert. Man könnte sagen ich bin hier fertig und maximal gesättigt. Doch nun kehre ich ein drittes Mal nach Schötz zurück.

Die Erklärung ist eigentlich simpel. Nachdem ich nicht bei der EM in Tschechien gestartet bin, passte dieses Rennen tatsächlich am besten ins alternative Rennprogramm. Da mich der Veranstalter sogar nach der WM in Italien noch extra anschrieb und fragte, ob ich nicht kommen wolle, wurde mein Start erst überhaupt ein Thema. Die finale Zusage hing nun auch mit einer unerledigten Aufgabe zusammen, die seit gut 3 Jahren in meinem Kopf ist.

Diese unerledigte Sache hat rein gar nichts mit Schötz zu tun, ändert aber mein komplettes Mindset, wie ich solche Rennen bestreiten muss und ist gleichzeitig auch ein Versuch, mich als Ultrafahrer weiter zu entwickeln.

Startblock

Noch nie habe ich es geschafft, binnen 24h die 500 Kilometermarke zu durchbrechen und dies ist nun das erklärte Ziel.

Ziele zu setzen sind wichtig, um sich zu motivieren, aber nutzlos ohne einen Plan, der einem die Gewissheit gibt, wie es gehen könnte.

So mache ich mich daran, meinen Plan zu schmieden. Doch statt dies mir die nötige Sicherheit gibt, ist das Gegenteil der Fall.

2019 erreichte ich mit 90 gefahrenen Runden 450 Kilometer. Nun müssen es aber 10 Runden und satte 50 Kilometer mehr werden.

Einem Ultrafahrer zu sagen, er müsse noch 50 Kilometer mehr machen, nachdem er gerade eine Tag und eine Nacht auf dem Bike verbracht hat, ist ungefähr so, als würde man rotzevoll, mitten in der Nacht und fünf Stunden zu spät von der Sauftour mit dem Kumpel nach Hause kommen und seine Liebste wecken, um zu fragen, ob sie noch ein paar Schnittchen machen könnte.

Der Garmin bringt mich ins Laktat

Das Rechenspiel klingt zumindest einfach: 100 Runden binnen 24h bedeuten Rundenzeit von 14:24 Minuten. Da ich aber für die 50 Kilometer ja nicht mehr Zeit als 2019 bekomme, muss ich den Daniel von 2019 also alle 2,4 Stunden selbst überrunden. Was ganz simpel gerechnet ist, erscheint mir praktisch aber unmöglich und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr häufen sich Zweifel.

Kurz nach dem Start I Foto @Werni Duss

Trotzdem, diese 100 Runden sind das erklärte Ziel und mein Antrieb, mit welchem ich dann samstags um 14 Uhr im Startblock stehe und auf die Einführungsrunde gehe. Zuvor hatte ich versehentlich auf die Gerätesuchfunktion meines Garmins geklickt, weshalb selbiger sofort aussteigt nachdem ich die Startlinie überquert hatte. Dieser möchte sich nun mit 168 Pulsgurten und Powermetern verbinden, die sich um mich herum im Feld bewegen. Ich bin total gefrustet, weil ich weder Puls- noch Wattwerte habe. Es vergehen gut anderthalb Stunden bis mein Equipment wieder so funktioniert wie es soll und ich kann mich endlich auf das Rennfahren konzentrieren. Ich spule konstant 12er und 13 Runden ab und mache so 1-2 Minuten auf meine errechnet Durchschnittszeit gut. Das ist wichtig, den 14:24 Minuten Rundenzeiten bedeuten, ich dürfte weder anhalten, um mein Leuchtmittel für die Nacht anzulegen, dürfte nicht anhalten, um die Akkus zu wechseln und langsamer werden dürfte ich binnen diesen 24 Stunden auch nicht.

Lief schon besser I Foto @Werni Duss

Somit bin ich in den ersten 6 Stunden des Rennens verdammt dazu, mir genügend Vorsprung für die Nacht zu erarbeiten. Binnen 5 Stunden habe ich 25 Runden absolviert und habe mir gut eine Stunde Vorsprung für die Nacht gebunkert.

Mittlerweile hat sich auch mein Betreuerlager rund um Pamela und die Kids gefüllt mit Freunden gefüllt. Es fließt Bier, Champagner und Spanferkel am Spieß…okay Kartoffelsalat mit Wienerle.

Manuel und Nicole sind da, Hagi von Magicshine, Marco und Kati und morgen kommt noch Heinz zu Besuch. Sie lassen es sich gut gehen, während ich zunehmend langsamer werde und meine Pace nicht halten kann.

Mädels haben Spaß

Die Signale ignoriert

Zwar liege ich gut im Rennen und hab 4 Runden Vorsprung, ich bin jedoch dankbar als Pamela mich nach gut 6 Stunden ans Auto holt, um mich nachtfertig zu machen.

Pamela, Kathi und Marco geben Vollgas.

Binnen 5 Minuten wird Kette geschmiert, Rücklicht montiert, Red Bull getrunken, Flasche gewechselt, Akkupack ins Trikot gestopft, Helm gewechselt, Helmlampe montiert, Schnittchen gegessen und gepinkelt…..letzteres sogar alleine!

Ich hatte gehofft, dass mich der kurze Stopp etwas belebt, aber das Gegenteil ist der Fall.

Schneller als die Formel 1

Seit gut einer Woche hab ich um 10-15 Schläge erhöhte Pulswerte beim Training, dazu eine Kurzatmigkeit, wenn ich mich ausbelaste und seit zwei Tagen auch Schwindel, wenn ich zu schnell aufstehe. Ich habe es auf die heißen Bedingungen geschoben, doch schon beim Warmfahren heute Morgen hatte ich wieder dieselben Anzeichen. Ich hatte gehofft mein Körper würde sich im Rennmodus etwas kalibrieren, aber er läuft einfach nicht rund.

Obwohl das Red Bull Flügel verleihen sollte, komme ich kaum den Berg hoch. Ich brauch fast 15 Minuten für die Runde und über 15 Minuten für die darauffolgende.

Alle helfen mit

Mein Entschluss ist relativ schnell und klar gefasst.

Mein Körper läuft seit der ersten Rennrunde nicht rund und ich bin auch absolut nicht bereit mich nach 6 Rennstunden weitere 18 Stunden durchzuquälen. Schon gar nicht für ein Ergebnis, welches mich eh nicht befriedigt. Ich hab gerade super coole Leute hier, mit denen es sich ein tollen Abend feiern lässt und so beschließe ich, nach Runde 30 auszusteigen. Natürlich muss ich noch sämtliche Motivationsversuche und Arschtritte über mich ergehen lassen. Ich bekomme sogar einen Anruf von Sabine, die mich via Whatsapp Video Call motivieren will.

da war es vorbei

Ich habe da aber schon längst die nötige Einsicht, Körper und Geist waren einfach nicht stark genug für dieses Rennen – ich war nicht stark genug für dieses Rennen.

Erstmals erlebe ich solch ein Rennen nun als Zuschauer und ich habe einen tollen Abend mit meinen Leuten. 2 Stunden später werde ich selbst zum Betreuer, Mechaniker und Motivator als Kumpel Sascha Ernst aussteigen will. Er hat gerade seinen düsteren Moment, durch welchen ich ihn begleiten und am Aufhören hindern kann.

dieses Mal nicht

Ich werde meinem Körper und Kopf nun etwas Zeit geben, um zu heilen, das Rad 2 Wochen in die Ecke stellen. Wandern gehen, meinen Geburtstag feiern, die Füße hochlegen und Zeit mit Pamela, Soe May und Mayla verbringen.

Wie ich den Herbst gestalte, lasse ich völlig offen, Kurzstreckenmarathon, Gravelrennen oder ausgiebige Endurotouren… lasse ich auf mich zu kommen.

Ich werde oft gefragt warum ich solche Ultrarennen fahre. Meine Antwort ist immer dieselbe:

„Weil die Chance groß ist, dass ich scheitern werde“

Dies ist nun geschehen und das ist okay.