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Race & Tour

24h Schötz-Helikopter 117

Nachdem es beim Rennen am Breitbrunnen nicht so lief und ich beim 12h Rennen in Külsheim sogar ausgestiegen bin, musste das anstehende 24h Rennen in Schötz wieder deutlich besser laufen, um die Saison nicht deutlich in die Tonne zu treten. So war die Erwartungshaltung groß, dass Selbstvertrauen aber erst mal verhalten. Ich ließ nichts in meiner Vorbereitung unversucht, um wieder in die Erfolgsspur zurück zu kommen.

Als erstes wurde mein alter Freund „de Frume Kris vom Team Schkai“ kontaktiert.

„Hey Kris, du bisch jo a bissl dabbig mit dem Renner geged Mure gfahre und kansch deashalb nun nid um da Doursieg kämpfe. Mainsch du könsch mir mol für di negschde 3 Wuche di Inhalator laie?“

Doch obwohl ich meine Nachfrage recht hartnäckig über alle möglichen Kanäle wie Facebook, Twitter und Instagram richtete, blieb diese leider unbeantwortet.

Doch töricht ist, wer nur Plan A hat, deshalb folgte eine weitere Anfrage, mein Plan B.

„Du Floyd aldi Hüdde, be dinem Husarerit ins gelbi Drickot, wo hesch do nonemol di Kortisonpflaschder genau ahnekläbt? Gits des in de Abodeg und velicht au als Nasepflaschder?

Doch auch diese Anfrage an den Toursieger von 2006 blieb unbeantwortet und zeigt wahren Sportsgeist gibt´s halt nur unter Ultrafahrern, die auf den Dackelschneidern sind alles Arschkrampen.

So schien mein Comeback wie dies der Backstreetboys kläglich zu scheitern. Wie der Phönix aus der Asche wollte ich auferstehen und zurückschlagen, mit einer Wucht, dass selbst ein Eddy „der Kannibale“ Merckx zu den Vegetariern übergesiedelt wäre.

So scheiterte also mein kläglicher Versuch, meinen Kadaver wieder in Top 7 Form (Platzierung 2018) zu bringen.

Samstags startete die Anreise ins nahegelegene Schötz. Später sollte noch Onkel Emma als Betreuer nachkommen, sowie der geilste Fanclub der Welt, bestehend aus der tollsten Gattin der Welt Pamela, Töchter Soe May & Mayla, sowie meinen Schwiegereltern.

Emma, ich und die zwei von der Tanke

Ein liebevolles „stell dich nicht so an und trete weiter“ von Pamela wirkt immer belebend.

Und die freudigen Augen, wenn die Kleinen dem Papa ne Flasche reichen dürfen motiviert zusätzlich.

So sollte meine Familie also mein „Doping“ für das kommende Rennen sein.

Pünktlich um 14 Uhr startete dann also mein nächstes großes Abenteuer gemeinsam mit Sascha und Manuel die als 2er Team um die Plätze kämpften.

Gleich geht´s los

Nur nicht überpacen, dem Speed hinter dem Begleitfahrzeug konnte ich folgen und dann ging es entspannt in den ersten Anstieg der Einführungsrunde. Ja Hoppla was ist da los? Ich fuhr stur meinen Rhythmus und als ich mich umblickte, war lediglich ein Motorrad am Hinterrad. Ich hatte es tatsächlich geschafft Letzter des ganzen Rennens zu sein und hinten drängelte der Besenwagen. Nach der Kuppe zog dann die Wampe meines 82Kg Lebendkadavers mächtig ins Tal. Ich konnte Plätze gutmachen, war aber immer noch letzter der Solisten. Völlig unbeeindruckt spulte ich meine Runden ab, bis ich schließlich zu Andreas und Raphael auffuhr. Ich reichte ihnen kurz die Hand und stellte mich vor. Zwei coole Typen sag ich euch, Andreas war früher erfolgreicher Ultrafahrer, erkrankte dann an Multiple Sklerose, ging vor wenigen Monaten noch am Rollator und versucht sich gerade mit eisernem Willen und Freude zurück zu kämpfen und erfreut sich an jeder Kurbelumdrehung.

„Andreas mein Freund du bist ein Vorbild, erhalte Dir Deinen Kampfgeist und Freude. Auch wenn das Rennen nicht so lief, kannst Du stolz sein Ich bin voller Bewunderung!“

Raphael ist erstmalig Solo unterwegs und fragt mich noch nach Tipps zum Rennen bzw. zu den Pausen.

„Respekt für dein Durchhaltevermögen, ich hab meine Jungfräulichkeit 2018 verloren, ich weiß welche Überwindung es ist, es Solo zu versuchen. Klasse!“

Wir ziehen zu dritt einige Runden bis Raphael meinem Tempo und ich Andreas seinem nicht mehr folgen kann. Ich bin also wieder Solo unterwegs und vermisse die tolle Stimmung auf der Kuppe, die ich im letzten Jahr so eindrucksvoll fand. Leute wären ja genug da, aber sie straften die Fahrer mit Nichtachtung und beschäftigen sich anderweitig. So verweile ich mich damit, jeden Zuschauer anzupöbeln der uns nicht anfeuern mochte.

Ich frage sie im Vorbeifahren, ob sie denn das „anfeuern“ noch bis morgen lernen würden? Drohte ihnen sogar mit Rennausstieg, sollten sie nicht bald für gute Stimmung sorgen.

Es dauert ganze 4 Stunden, dann habe ich die Fankurve soweit, Hopp Dani tönt es nun im Kanon, in mehreren Oktaven sowie in der Landessprache meiner Wahl. So macht das Freude, so kann man sich quälen.

Der besagte Uphill

Was mir jedoch ziemlich schnell auf die Eier geht ist der Trailuphill. Im Vorjahr dröhnten hier Rockklassiker aus den Lautsprechern, welche dich förmlich den Berg hochgepeitscht haben. Dieses Jahr beschränkte sich die Playlist auf Ballermann-Sauf-Gesänge. Dabei war die Playlist genau so kurz, dass quasi jede Runde dasselbe Lied im Aufstieg lief. So wurde ich in den ersten 4 Stunden schon gut 18-mal aufgefordert, ich solle doch endlich mal den Hub, Hub, Hub und den Schrauber, Schrauber machen.

Ich bin also im Rennen angekommen, begleitet vom Publikum und dem Helikopter 117 bin ich dem ersten Ziel nahe, das Erreichen der Nacht. Mein Fanclub ist mittlerweile an der Strecke und feuert mich die kommenden zweieinhalb Stunden an, bis ich zum Boxenstopp komme.

Motivation pur

Ich bin ja noch jungfräulich in der Ultra Szene, dies ist erst mein drittes 24h Rennen. Allerdings habe ich mittlerweile begriffen, in die Top 5 geht es nur ohne Pausen. Boxenstopps für warme Kleidung, Licht und Akkuwechsel, kurze Verpflegung ja, ausruhen und pausieren nein. So schaffe ich es in ca. 10 Minuten dank meinen Betreuern die Kette zu schmieren, Licht anzulegen, mich wärmer zu kleiden und mir eine Nudelsuppe mit Redbull einzuflößen.

Fast wie Hulk

Mit dem Untergang der Sonne erlebe ich einen der wenigen guten Momente im Rennen bei Temperaturen unter 20 Grad geht’s mir gut. Ich liebe die Kühle auf der Haut, da fühle ich mich wohl. Es fehlt nicht viel, da schwillt mein Körper grün an und ich reiße mir das Trikot von der Brust. Es fühlt sich nicht nur gut an, es ist tatsächlich so. Mein letztjähriger Boxenstopp hat gut 30 Minuten gedauert und ich fuhr schon nach 4 Stunden Rundenzeiten von über 15 Minuten. Dieses Jahr brauchte es 10 Stunden um erstmalig über die 15 Minuten zu kommen, mit dem verkürzten Boxenstopp habe ich den Daniel von 2018 bereits 5-mal überrundet!

Wahnsinn aber keinen Grund zu feiern, denn die Opfer gibt es in der Nacht und im Morgengrauen findet man die Leichen.

Geile Stimmung

Mittlerweile habe ich das Feuerwerk genossen, welches eindrucksvoll den Nachthimmel erleuchtet hat, im folgenden Aufstieg bekomme ich zum wiederholten Male erklärt, dass Bugatis nur für Opfer sind und ich doch endlich mal den Hub, Hub, Hub und den Schrauber, Schrauber machen soll. Allmählich ändert sich auch das Publikum am Streckenrand. Hatte am Nachmittag noch der „Fäger Hampi“ bei den ansässigen Seniorinnen für feuchte Schlüpfer gesorgt, stehen nun aufgetakelte Teenager flankiert von halbstarken Machos am Streckenrand. Im Geruch von Channel05 und Testosteron ziehe ich weiter meine Runden, während der Bass von Dj Thoumsen & DJ Slive das ganze Festzelt inklusive Durchfahrtsröhre zum Vibrieren bringt.

Da haben es die Schwizzer schon drauf, dank mehrerer 100 Franken Startgebühr finanzieren sie sich ihr Volksfest und tarnen das Ganze noch als Sportveranstaltung, Chapeau!

Erfroren in den ECO Modus

Die Temperaturen fallen deutlich und auch mein Körper schaltet plötzlich auf Energiesparmodus. Betreuer Emma ist schon längst mit Wintermütze, Daunenjacken und Decken bestens gewärmt und mich überkommt schlagartig Schüttelfrost auf der Strecke. Ich halte kurz an, kann nicht deutlich sprechen und selbständig stehen fällt mir schwer. Ich zieh mir eine Windweste an, doch es hilft nix. Ein Runde später muss das Thermo-Trikot her. Wir haben wohl Temperaturen um die 7 Grad und ich war lange Kurz/Kurz unterwegs. Aktuell gleicht mein Ebenbild nicht dem Phönix aus der Asche, sondern eher einem flügellahmen Wellensittich aus dem Streichelzoo. Emma setzt mich nochmals aufs Rad mit der Androhung, wenn ich nochmals lallend und zitternd anhalte, nimmt er mich aus dem Rennen. Glücklicherweise pennt er ein, die Pause hat er sich verdient. Sich für jemand anders als Betreuer die Nacht um die Ohren zu schlagen, ist mindestens genauso hart wie selbst zu fahren und verdient mindestens dieselbe Anerkennung.

Bestens betreut

Ich fahre nun 17er/18er Rundenzeiten, mir geht’s nicht schlecht aber es ist zäh. Ich nehme einige Runden nichts zu mir um das Völlegefühl los zu werden, dann bekomme ich Hunger und verpflege mich. Allerdings reagiert mein Körper überhaupt nicht mehr auf die Zuführung von Energie. Monoton bleibt er im Energiesparmodus, er ist Taktgeber, nicht ich. Im Uphill wuselt es von Mäusen und Igeln. Auch sie sind wenig daran interessiert nachts um 3 den Hub, Hub, Hub und den Schrauber, Schrauber zu machen und versuchen fluchtartig Helicopter 117 zu entkommen. Meine Ohrmuschel schmerzt mehr als meine Beine, aber ich komme hier einfach nicht schneller weg.

Es ist halb 4, für mich ist dies einer der wichtigsten Momente im Rennen. 2018 hat´s mir den Stecker gezogen und es folgte eine Pause und eine Rundenzeit von 2:15 Stunden. Sich nun von 4- 6 Uhr durchzukämpfen ist für mich enorm wichtig. Emma hat sich nun auch wieder erholt und wir vereinbaren auf 5 Uhr einen Nudelsuppen/Redbull Boxenstopp. Ich kläre ihn auf, dass meine letzten Rundenzeiten übel waren. Er fragt „was er tun könne“ ich sagte „warten“. Worauf? Darauf dass es besser wird.

Ein Phänomen welches ich nur von Ultrarennen kenne, der Körper resigniert schlagartig und verweigert die Leistungsbereitschaft, um sie dann irgendwann später wieder wohlwollend zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht mehrfach bei solchen Rennen und völlig unvorhersehbar. Man muss diesen Moment im wahrsten Sinne des Wortes einfach aussitzen.

Bald folgt der Sonnenaufgang und man ist dem Ziel ein Stück näher, ich habe es ohne Pause lediglich mit kurzen Boxenstopps durch die Nacht geschafft. Dies war ein wichtiges Ziel, um mich als Ultrafahrer weiter zu entwickeln.

Bald ist´s geschafft

Morgens um 6 Uhr habe ich die 300 Kilometermarke durchbrochen und den Daniel aus 2018 schon 11-mal überrundet. Die Nacht ist durchgestanden, auch das Publikum und die Streckenposten tauen auf. Auch Tobee hat wieder Kraft geschöpft, denn Helikopter 117 kreist nun wieder 20 Dezibel lauter um die Strecke. Leider können weder Redbull, Nudelsuppe noch die Sonnenstrahlen die Lebensgeister wecken. Ich ziehe meine Runden bis endlich wieder meine Familie am Streckenrand erscheint. Tochter Mayla hat mir ihr Glücksarmband um den Garmin geschnallt, Soe May ist bereit für ne Nackenmassage beim nächsten Boxenstopp. Meine Frau ist sowieso geboren fürs Anfeuern: niemand schreit lauter und konsequenter – das gilt für´s Rennen gleichermaßen wie beim Ehestreit  Ihr drei seid einfach genial.

Weiter fahren unnötig

Erstmalig folgt der Blick auf die Ergebnisliste. Ich bin auf einem genialen 5. Platz hab 3 Runden Rückstand und fast 10 Runden Vorsprung raus gefahren. Mein Vordermann verwaltet seinen Vorsprung clever und ist in der Lage noch immer schneller als ich zu fahren. Mein Verfolger hat umgerechnet fast 3 Stunden Rückstand.

Kai und Andreas wurden schon beide auf der Strecke abgeschossen, an meiner Position wird sich nichts ändern, die Körner kann ich mir sparen und die Regeneration kommt mir bei den nächsten Rennen zu Gute. Ja es gäbe viele vernünftige Gründe, dass Rennen jetzt zu beenden aber keinen der mich glücklich macht. Ich hatte mir ein zunächst utopisches Ziel von 90 Rennrunden gesetzt. Das wären 450 Kilometer und 10 Runden mehr als im Vorjahr. Davon war ich nun noch 8 Runden entfernt und ich sagte zu allen, die 90 mach ich nun voll egal wie lange es dauert. Redbull, Suppe, Gel, Cola alles auf Vollgas. Nach zwei Runden treffe ich erstmalig auf Teammate Sascha und Kai dem Führenden. Wir beschließen einen Paintrain zu bilden, Sascha kämpft um Platzierungen im 2er, Kai um den Streckenrekord, ich um meine 90 Runden. Der Körper gibt es her und wir brennen tatsächlich nochmals mehrere 13er und 14er Zeiten in die Strecke, so dass selbst der Hub,Hub, Hub und der Schrauber, Schrauber nicht mehr folgen kann. Gegen 13.30 Uhr verlasse ich die Strecke, nehme meine Frau, meine Kinder und Emma in den Arm, mein Schwiegervadda holt Bier, Sascha ist bei mir, während Manuel noch die letzten Runden absolviert. So fühlt es sich gut an, so bin ich happy, so habe ich meine 90 Runden und meine 450 Kilometer.

Danke an alle die dabei waren.

Danke an meine Familie die mich unterstützt und liebt, danke an meine Betreuer Emma und Gratulation an Sascha und Manuel mit Platz 5 sowie an Kai Saaler für den Sieg und Rundenrekord.

Happy ride

Euer

Daniel